St. Martin ritt durch Schnee und Wind ...


Wir schreiben das Jahr 338. Es ist Winter. Ein ungewöhnlich harter Winter, es ist bitterkalt und viele Menschen erfrieren. Am Stadttor von Amiens, Frankreich, sitzt ein unbekleideter Bettler, dem der Kältetod droht. Jeden, der an dem Stadttor vorbeikommt, fleht er um Hilfe an. Doch niemand hat Erbarmen mit dem Mann. Er ist eben nur ein Bettler und die Menschen gehen achtlos vorbei. Unter den Passanten sind auch einige Soldaten. So auch ein junger Römer namens Martin von Tours, der nichts als sein Schwert und seinem einfachen Soldatenmantel bei sich trägt. Er bleibt stehen, nimmt sein Schwert und teilt seinen Mantel mitten entzwei. Einen Teil reicht er dem Mann, in den anderen hüllt er sich selbst. Die Menschen sind überrascht, bleiben ungläubig stehen. Manche lachen, andere schämen sich, nicht selbst geholfen zu haben ...

Das ist die heldenhafte Geschichte eines jungen Mannes, den heute jedes Kind kennt. Es ist die Geschichte vom heiligen St. Martin: Martin von Tours, um 316 in Sabaria (heute Ungarn) geboren, stammte aus einer Familie mit militärischer Tradition. Sein Name "Martinus" leitet sich vom römischen Kriegsgott Mars ab. Zur Zeit des heiligen Martin galt ein kaiserliches Edikt, wonach die Söhne von Berufssoldaten zum Kriegsdienst gezogen wurden. Dadurch wurde auch Martin - gegen seinen Willen - mit 15 Jahren zum Militärdienst eingezogen. Doch der junge Mann verhielt sich nicht wie andere Soldaten: Er war gütig zu seinen Kameraden und seine Geduld und Bescheidenheit überstiegen die der anderen bei weitem. Kranken stand er bei, Arme unterstützte er, Hungernde nährte er und von seinem Sold behielt er nur das für sich, was er für sein tägliches Leben brauchte. Getauft war er zu dieser Zeit noch nicht - verhielt sich jedoch wie ein Christ, sein Glaube wurde immer stärker und er war voller Nächstenliebe.

Vor einer Schlacht verweigerte Martinus als Offizier des römischen Besatzungsheeres die Teilnahme mit dem Hinweis, er sei von nun an nicht mehr "miles Caesaris", ein Soldat des römischen Kaisers, sondern "miles Christi" und bat um Entlassung aus dem Armeedienst. Dies wurde ihm lange verweigert und so wurde er erst 356 nach Ableistung seiner 25-jährigen Dienstzeit im Alter von 40 Jahren aus dem Heerdienst entlassen. Mit 18 Jahren ließ er sich übrigens taufen. Später sollte er der dritte Bischof von Tours und einer der bekanntesten Heiligen der katholischen Kirche werden. Als Nothelfer und Wundertäter wurde Martin schnell in der gesamten Touraine bekannt. Statt in der Stadt zu leben, wohnte er lieber in den Holzhütten vor der Stadtmauer, wo aber schon zu seinen Lebzeiten das Kloster Saint-Martin de Ligugé entstand. Im Laufe der Zeit entstanden viele Legenden und Erzählungen von Wundern Martins. Eine Überlieferung besagt, dass die Einwohner der Stadt Tours ihn am 4. Juli 372 zum Bischof ernennen wollten. Dieser Aufgabe fühlte er sich allerdings nicht würdig und versteckte sich in einem Gänsestall. Die aufgeregt schnatternden Gänse verrieten sein Versteck, und Martin musste das Amt annehmen. Daher soll der Brauch der traditionellen "Martinsgans" kommen.

Bald folgte auch die Heiligsprechung für sein heroisches Leben. Der Frankenkönig Chlodwig erhob Martin zum Nationalheiligen und Schutzherrn der fränkisch-merowingischen Könige. Sein Mantel gehörte später zum Schatz der merowingischen Könige. Am 8. November 397 verstarb Martin im Alter von 81 Jahren auf einer Visite in Candes, einer Stadt seines Bistums. Der 11. November gilt seither als Tag der Verehrung. In dieser Zeit im November feiern wir noch heute den frommen Helden von damals: Kinder ziehen mit ihren Laternen durch die Straßen und singen Lieder, vorweg immer der St. Martin auf seinem Schimmel. Das Laternenfest entstand übrigens, da der Leichnam Martins mit einer Lichtprozession mit einem Boot nach Tours überführt wurde.


Natascha Elbers
GURU Magazin
Ausgabe 11 / November 2009