Rheinische Post - Mönchengladbacher Stadtpost - Donnerstag, 18. November 2021

Pilotprojekt in Mönchengladbach
Stadt plant Verkehrskindergarten


Es ist ein bundesweites Pilotprojekt: Als erste Stadt will Mönchengladbach einen Verkehrspark errichten. Da die Sicherheit im Straßenverkehr stark abgenommen hat, sollen nun schon Kinder im Vorschulalter lernen, sicher mit Laufrad und Co unterwegs zu sein. Zudem soll die Jugendverkehrsschule auch für Familien geöffnet werden.


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Mönchengladbach (RP). Auf dem Gelände des Städtischen Familienzentrums Nikolausstraße in Hardt sind erste Erdbohrungen vorgenommen worden. So soll überprüft werden, ob der Untergrund auch für das geeignet ist, was dort künftig entstehen soll: der erste Verkehrskindergarten. Und als solcher wird er einigen Belastungen standhalten müssen. Wenn die Planungen der Stadt Mönchengladbach aufgehen, dann könnten dort in den nächsten Jahren Kinder mit Laufrädern, Kettcars, Dreirädern und Bobbycars ihre Runden drehen. "Bevor die Verkehrsteilnahme sicher bewältigt werden kann, müssen vor allem schon die Kindergartenkinder lernen, auch Spielfahrzeuge kompetent zu steuern", erklärt Stadtsprecher Dirk Rütten den Hintergrund des Projekts.

Der Kinderverkehrsgarten soll nach Angaben der Stadt Mönchengladbach die bundesweit erste Einrichtung dieser Art für Kinder im Vorschulalter werden. Vor rund zwei Jahren entstand die Idee dazu. Inzwischen sind die Verantwortlichen einen guten Schritt weiter. Die Finanzierung steht: Der Bund wird den Angaben zufolge 80 Prozent der Kosten tragen; den Rest übernimmt die Stadt. Die Rede ist insgesamt von einer höheren sechsstelligen Summe für den Bau und die Inbetriebnahme. Zudem würden gerade Anschlussfördermöglichkeiten geprüft, unter anderem geht es um die Frage, wie das benötigte Personal finanziert werden kann. Anfang 2022 will das Jugendamt, so Stand jetzt, das endgültige pädagogische und bauliche Konzept sowie ein Terminplan für die Errichtung des Kinderverkehrsgarten vorlegen.

Auf das spätere Radfahren bereitet das Training mit Fahrzeugen wie Laufrädern vor. "Voraussetzungen und Anforderungen für das sichere Radfahren sind die Wahrnehmungsfähigkeit wie Bewegungs-, Anpassungs-, Orientierungs-, Gleichgewichts- und Reaktionsfähigkeit", sagt Rütten. Dies soll in dem "geschützten Rahmen" des Verkehrskindergartens verwirklicht werden. "Es ist wichtig, Kindern die Möglichkeit zu geben, diese wichtigen Anforderungen sicher mit Spielfahrzeugen zu üben."

In den vergangenen Jahren hat sich immer mehr gezeigt, dass viele Schüler gar nicht, erst spät und oftmals sehr unsicher Fahrrad fahren können. Das sind die Gründe, warum die Stadt Mönchengladbach vor einigen Jahren beschlossen hat, die Verkehrsprüfung erst in der fünften Klasse der weiterführenden Schule abzunehmen und nicht wie bis dahin üblich in der vierten Klasse. In dem letzten Jahr der Grundschule wird nun lediglich auf die Prüfung hingearbeitet. Das Schwierigste daran für den Verkehrserzieher Kalle Ditges und seine Kollegen: "Die Eltern wünschen sich von uns eine Absolution, dass sich ihr Kind ab dann sicher alleine im Verkehr bewegen kann. Die können wir aber nicht geben." Dazu gehöre viel mehr: "Die Eltern müssen mit ihren Kindern das richtige Verhalten üben und sich auch in deren Perspektive hinein versetzen." Sich die Frage stellen: Wie ist es mit der Blickhöhe eines Kindes zwischen zwei geparkten Autos zu stehen? Das Problem: Die meisten Schüler würden heute mit dem Auto bis vor die Schwelle des Gebäudes gebracht. Insgesamt werde zu wenig Zeit draußen verbracht. Grundkenntnisse gingen verloren oder würden nicht weitergegeben. Das tägliche Üben finde nicht oder nur zu selten statt. Verstärkt trete das Problem beim Radfahren zutage. "Viele sind koordinativ nicht gut drauf", so drückt es der Erste Vorsitzende der Verkehrswacht, Stefan Huppertz, der als Verkehrssicherheitsberater für die weiterführenden Schulen zuständig ist, aus.

Die Idee ist nun, sehr früh einzugreifen und den Kindern einen so genannten Schonraum zu geben, in dem sie einen Parcours meistern können. Viele Kindergärten und Schulen nutzen dazu bereits die Jugendverkehrsschule. Dort sieht alles aus wie auf einer richtigen Straße: Es gibt kleine Ampeln und Zebrastreifen. Dort zu üben ist bislang aber nur institutionell möglich. Im kommenden Jahr soll es nach Angaben des Betreibers, der Verkehrswacht, auch für Familien erlaubt sein. Ende 2022 soll das Angebot für Privatpersonen geöffnet werden, die dort den Parcours mit ihren Kindern absolvieren möchten. Momentan wird die in die Jahre gekommene Jugendverkehrsschule an der Dessauer Straße, die es bereits seit 1901 gibt, renoviert.

Mit diesen beiden Schritten soll die Sicherheit im Straßenverkehr deutlich verbessert werden. Momentan fällt das Fazit des erfahrenen Polizisten Ditges, seit gut 20 Jahren für die Verkehrserziehung an Schulen zuständig, ernüchternd aus: Weder als Fußgänger noch auf dem Fahrrad könne man einen Großteil der Kinder auf den Straßenverkehr loslassen. "Höchstens eine Handvoll Viertklässler kann sich alleine sicher im Verkehr bewegen." Noch vor einigen Jahren war das Verhältnis anders herum. "Damals hätte ich gesagt, dass es bei vier oder fünf Schülern noch Förderbedarf gibt, die anderen aber hätten beispielsweise ihren Schulweg sicher auf dem Fahrrad oder zu Fuß zurücklegen können."



Entnommen aus der Rheinischen Post, Ausgabe Mönchengladbach, 27. August 2021



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