Rheinische Post - Mönchengladbach - Freitag, 7. Juli 2023
Vor zehn Jahren sagten die Briten "Goodbye"
2013 endete eine Ära:
Die britischen Streitkräfte verließen nach sechs Jahrzehnten das JHQ-Gelände.
Früher quicklebendig, heute Lost Place.
Vieles bleibt in Erinnerung - Freundschaften, Royals, aber auch schreckliche Ereignisse.
von Gabi Peters
Hardt
(RP).
Zapfenstreich, Parade und Feuerwerk - der Abzug der britischen Streitkräfte wurde vom 11. bis 14. Juli 2013
im JHQ und in der Innenstadt groß gefeiert.
Sechs Jahrzehnte hatten die Soldaten aus dem Vereinigten Königreich wie selbstverständlich zur Stadt
gehört.
In Spitzenzeiten arbeiteten im Ortsteil Rheindahlen bis zu 12.000 Angehörige der Streitkräfte.
Sie kauften an der Hindenburgstraße ein, gingen in der Altstadt aus, schlossen Freundschaften und
nicht selten auch Ehen in Mönchengladbach.
Kein Wunder, dass bei den Abschiedsfeiern auch die ein oder andere Träne floss.
Viele Menschen waren zum Kapuzinerplatz gekommen, um sich persönlich von den britischen Gästen zu verabschieden.
Englisches und deutsches Stimmengewirr mischte sich mit Dudelsack-Klängen.
Kinder schwenkten eifrig Fähnchen, und britische Soldaten schütteln Hände.
Queen Elisabeth II., die sich damals noch bester Gesundheit erfreute, war zur Enttäuschung beider Nationen
nicht zu den Feierlichkeiten nach Deutschland gereist.
Dabei war ihr Geburtstag jährlich in Rheindahlen gefeiert worden. Überhaupt war die Queen nie im JHQ.
Auch nicht, als die Abiturienten des Jahrgangs 1993 der Marienschule sie zu ihrem Abiball eingeladen hatten.
Dennoch bescherte das JHQ der Stadt Mönchengladbach
viele Besuche der Royals. Prinz Philip war mehrmals zu Gast, ebenso wie Tochter Anne.
Auch der neue König von England, der damalige Prinz Charles, trug sich ins Goldene Buch ein.
Früher stand das JHQ auf der Besuchsliste internationaler Prominenz,
heute wird es oft als "Lost Place" von Abenteurern angesteuert.
Im Kalten Krieg zwischen Ost und West war der JHQ-Komplex die Schaltzentrale für die Verteidigung von ganz
West- und Nordeuropa.
Mehrere Hunderttausend Soldaten und ganze Luftflotten wurden von Rheindahlen aus befehligt - Mönchengladbach war
damit viele Jahre die bedeutendste Garnisonsstadt Deutschlands.
6000 Menschen aus 17 Nationen lebten und arbeiteten zeitweise in der riesigen Anlage im Westen der Stadt.
Viel Sand, klar strukturierte Bereiche mit Rutschen, Klettergerüsten und einem Volleyballnetz sorgen für
Angebote für jede Altersklasse.
Ein Spielgerät lag allen am Herzen: die lange Seilbahn, die nicht mehr nutzbar war und nun neu aufgebaut wurde.
"Hier haben schon vor mehr als 40 Jahren meine Kinder herumgetollt", erinnert sich Bezirksvorsteherin Monika
Halverscheid. "Eine neue Seilbahn musste einfach sein."
"Marlborough Road", "Londonderry Drive" oder "Queens Avenue" hießen die Straßen im JHQ.
Das Stabsgebäude, "Big House", machte mit seinen Außenmaßen von 250 mal 160 Metern und
ungefähr 2000 Räumen seinem Namen alle Ehre.
Zum Hauptquartier gehörten drei Kirchen, eine Feuerwehrwache, drei Grundschulen, eine weiterführende Schule,
14 Kindergärten, ein Kino und ein Schwimmbad.
Ereignisse wie der Internationale Mönchengladbacher Militärwettkampf und das Nato-Musikfest,
aber auch Schulpartnerschaften schufen deutsch-britische Freundschaften,
die zum Teil heute noch anhalten und an die man sich gerne erinnert.
Auch nach dem Ende des Kalten Krieges hatte das JHQ seine Bedeutung noch nicht verloren.
Die schnelle Einsatztruppe, das Allied Rapid Reaction Corps (ARRC), steuerte unter anderem die Friedenseinsätze
in Bosnien und im Kosovo.
Bei den Einsätzen im Kosovo starteten und landeten von Elmpt zwischen 22.30 und 6 Uhr Tornados mit Bomben an Bord
und Tankflugzeuge.
Die Lärmbelästigung war zum Teil enorm.
Dennoch gab es Anwohner, die regelmäßig im JHQ anriefen, um sich zu erkundigen,
ob alle Piloten heil angekommen seien.
Unvergessen bleiben aber auch schlimme Ereignisse.
Dazu gehört der IRA-Anschlag am 23. März 1987, bei dem mehr als 30 Menschen verletzt wurden.
Generalmajor Hans Hoster, damals Stabschef der Nato-Armeegruppe Nord,
hatte gerade das Glas auf das Wohl von zwei Obersten gehoben, als eine Explosion das Gebäude erschütterte.
Am Himmel zuckte eine riesige Stichflamme.
Ein Aquarium flog durch den Raum, Scheiben barsten, Türen sprangen aus den Rahmen, Deckenteile fielen herab.
Schrecksekunden später krochen blutüberströmte Menschen unter den Tischen hervor.
Das Auto, in dem die Bombe detoniert war, hatte einen anderthalb Meter tiefen Krater hinterlassen, zahlreiche andere
Fahrzeuge waren zu Schrottklumpen verformt worden.
Eigentlich sollte der Abend eine Ausstandsfeier für zwei Offiziere bei Steaks und Wein werden - die Terroristen
glaubten aber offenbar, es handele sich um eine Veranstaltung für hochrangige Nato-Offiziere.
36 Verletzte, darunter drei Schwerverletzte, und zwei Millionen Mark Sachschaden waren die Bilanz des Anschlags;
dass es keine Toten gab, war ein kleines Wunder.
Traurig war auch der Todesfall der kleinen Isobel.
Das fünfjährige Mädchen war im Juni 2003 bei einem Tag der offenen Tür im JHQ während eines
Tornados von den reißenden Stahlseilen eines davonfliegenden Fesselballons mitgerissen worden,
gegen den Kirchturm von Hardt geschlagen und schließlich tot am Rheinufer bei Hamminkeln gefunden worden.
Viele Mönchengladbacher trauerten mit den britischen Eltern.
Zuerst legten sie Blumen auf der Wiese ab, dann wurden Beileidsbekundungen zusammen mit vielen Kuscheltieren in einem
extra dafür aufgestellten Zelt direkt neben den beiden Kirchen im JHQ gesammelt.
Es gab und gibt aber auch viele schöne und glückliche Momente,
die Mönchengladbacher mit dem JHQ und Briten mit der Stadt verbinden.
So war 1960 die Gladbacher Karnevalsprinzessin Patricia ein Leutnant der Royal Air Force,
und der deutsche Major im Generalstab Heinz Otto warf 1970 beim Veilchendienstagszug Kamelle vom Prinzenwagen.