Rheinische Post - Mönchengladbacher Stadtpost - Samstag, 6. Juli 2024
Seit 70 Jahren ist im Fuchsbau das Hähnchen Nummer eins auf der Karte
Das Lokal im Hardter Wald gehört seit Generationen zu den beliebtesten in Mönchengladbach.
Wer im Biergarten sitzt, kann sich kaum vorstellen, dass schon öfter das letzte Kapitel der Erfolgsgeschichte drohte.
Wie das Wirte-Paar Anja und Frank Reintjes es immer wieder schafften, sich neu zu erfinden und gleichzeitig treu zu bleiben.
von Garnet Manecke
(RP).
Goldbraun liegt das halbe Hähnchen auf dem Teller. Die Haut knusprig, das Fleisch zart,
sodass es ganz leicht vom Knochen zu lösen ist.
Dazu gibt es eine Portion Pommes und etwas Krautsalat.
Jeden Abend trägt Anna Reintjes Teller um Teller mit den Backhähnchen aus der Küche an die Tische.
Es ist mit Abstand das beliebteste Gericht im Traditionslokal
"Fuchsbau" im Hardter Wald.
Die Hähnchen haben das Lokal weit über die Stadtgrenze hinaus bekannt gemacht.
In diesem Jahr wird die Gaststätte 70 Jahre alt. Gefeiert werde das aber nicht.
"Wenn ich im kommenden Jahr 60 werde, dann feiern wir alles zusammen mit einer großen Party", sagt Frank Reintjes.
Der 59-Jährige führt zusammen mit seiner Frau Anja das Lokal, das er 1997 von einer Erbengemeinschaft gekauft hat.
Eigentlich ist das Lokal sogar noch älter als 70 Jahre.
So um 1912 soll es gegründet worden sein, sagt Frank Reintjes.
Als "Waldcafé Jöbges" war es wohl Anziehungspunkt für Wanderer und Ausflügler.
1954 übernahm die Familie Zoch das Haus und das Lokal.
Aus dem Waldcafé wurde die Gaststätte "Im Fuchsbau".
Damals begann auch die Tradition der Backhähnchen.
"
Die Familie Zoch hat hier schon Hähnchenschenkel mit Brot oder mit Kartoffelsalat angeboten", weiß Reintjes.
1954 wurde auch das JHQ am Rande Rheindahlens gegründet.
Dass die britischen Streitkräfte mit ihren Familien dort stationiert waren, hatte Auswirkungen auf den Betrieb im Hardter Wald.
"Das war ein großes Glück", sagt Reintjes.
"Es gab Zeiten, da bestand das Publikum zu 70 Prozent aus Engländern."
Trinkfest seien sie gewesen, die Engländer.
Das Schild an der Zufahrt der Gaststätte mit der Unterzeile "Chicken in the wood" erinnert an diese Zeiten.
Als das JHQ 2013 von den britischen Streitkräften endgültig verlassen wurde, brach diese Kundschaft weg.
"Wir wussten ja, dass der Punkt kommt und hatten uns schon vorab darauf eingestellt", erinnert sich der 59-Jährige.
"Wir mussten uns neu aufstellen." Zum Beispiel mit außergewöhnlichen Events.
Im Januar 2000 ließ er zum ersten Mal einen Sattelzug voller Schnee vorfahren und machte aus dem Biergarten eine Ski-Piste.
"Wir haben hier die erste Après-Ski-Party in Mönchengladbach gefeiert", sagt er.
Die Party ist heute ein fester Termin im Kalender des Wald-Gasthauses.
Konzerte, ein Musiker-Stammtisch, Lesungen und sogar Theater-Aufführungen folgten.
Aber die wichtigste Änderung fand in der Küche und damit auf der Speisekarte statt.
Für den Verkaufsschlager Backhähnchen wurden neue Geschmacksrichtungen entwickelt.
Heute können die Gäste neben der klassischen Variante auch mit Knoblauch, Curry, Tandoori, Zitronenpfeffer, Speck, scharf und extrascharf sowie provoncale wählen.
Auch Corona habe dem Betrieb, im Nachhinein betrachtet, nicht so geschadet, wie ursprünglich befürchtet.
Als der Lockdown kam, sei seine erste Reaktion gewesen, alles dicht zumachen, sagt der Gastwirt.
Einen Tag hat das angehalten, dann wurden die ärmel hochgekrempelt und ein Hähnchen-Lieferservice aufgezogen.
Der Erfolg hat alle überrascht.
"Drei Monate haben wir wie die Irren geliefert, von mittags bis 22 Uhr durchgehend, sieben Tage in der Woche", erinnert sich Reintjes.
So verging der erste Corona-Frühling, der auch für eine umfassende Renovierung des Lokals mit Gaststube und Wintergarten genutzt wurde.
"Im Sommer konnten wir im Biergarten wieder Konzerte machen."
Aber da tat sich ein neues Problem auf:
"Man merkte, dass die Leute keine Lust mehr auf Hähnchen hatten", sagt Reintjes.
So wurde der Hamburger auf die Karte gesetzt.
Neben den Backhähnchen das beliebteste Gericht bei den Gästen.
Die nächste große Veränderung ist auch schon in vollem Gange, dabei bekommen die Gäste sie kaum mit.
Tochter Anna wird den Familienbetrieb zusammen mit ihrem Freund Felix Schubert übernehmen.
Knapp zwei Wochen ist es her, dass die 24-Jährige ihre Prüfung zur Restaurantfachfrau erfolgreich abgelegt hat.
Ursprünglich wollte sie Sonderpädagogik studieren.
Bevor sie sich dann doch für die Ausbildung entschied, arbeitete sie zwei Jahre bei der Aktion Freizeit behinderter Jugendlicher (AFBJ).
"Aber der Laden ist mein Leben", sagt die Jung-Wirtin.
Sie und ihre Zwillingsschwester seien quasi dort aufgewachsen, sagt ihr Vater.
Die Herren am "Stammtisch", die im Biergarten das Empfangskomitee für die Gäste sind, und die vielen Stammgäste kennen sie entsprechend lange.
Und was werden ihre Eltern, Anja und Frank Reintjes, dann machen?
"Ich möchte hier nie ganz aufhören", sagt Frank Reintjes.
"Ich liebe den Beruf."
In den 27 Jahren, die er das Haus führt, hat er am Leben seiner Gäste teilgenommen.
Heute zählt er wieder 80 Prozent zu seinen Stammgästen.
Viele, die mit ihren Kindern kommen, haben selbst in ihrer eigenen Kindheit mit ihren Eltern bei ihm Hähnchen gegessen.
Diese Tradition soll fortgeführt werden.