Rheinische Post Nr. ??? - Montag, 15. März 1954


Geistige Regsamkeit und Wehrhaftigkeit

Schulrat Lankes vor den Hardter St.-Nikolaus-Brüdern


M.GLADBACH-HARDT. Trotz der ungünstigen Tageszeit waren am Sonntagnachmittag etwa 50 St.-Nikolaus-Brüder gekommen, um den 1.Vizepräsidenten der Erzbruderschaft und den Diözesan-Brudermeister, Schulrat Lankes (Viersen) zu dem Thema "Schützenbruderschaft in alter und neuer Zeit" zu hören. In einem historischen Rückblick ließ der Redner vor dem geistigen Auge die Zeit vor etwa tausend Jahren erstehen, wo weder staatliche noch gemeindliche Organisationen in Krisenzeiten den wirtschaftlich Schwachen unentgeltliche Hilfe angedeihen ließen. Auf dem Boden christlicher Nächstenliebe entstanden zunächst noch locker, vielerorts Organisationen tatkräftiger katholischer Männer, die, die eigenen Gefahren nicht scheuend, oft Kranke pflegten, Tote begruben, dem Pfarrer als Laienhelfer zur Seite standen und den Schutz des Allerheiligsten, wenn notwendig mit der Waffe in der Hand, ausübten.

Aus jener Zeit stammt die Tradition Waffen zu tragen, die auch heute noch in dem Brauch, bei der Pfarrprozession das Allerheiligste von von Schützenoffizieren mit geschultertem Degen begleiten zu lassen, symbolisch zum Ausdruck kommt. Schützenbruder ist gleich Schutzbruder und nicht mit jenen Schützengesellschaften zu verwechseln, die das Schießen als Sport pflegen.
Mit der Festigung der staatlichen Ordnung und dem Ausbau allgemeiner Wohlfahrtseinrichtungen fielen die ursprünglichen Aufgaben nach und nach fort. Die Existenz der Bruderschaften zeigte sich nur noch in den öffentlichen Volksfesten, und damit begann gleichzeitig der innere Zerfall, der im 19.Jahrhundert bedenkliche Formen annahm. Das hohe sittliche Ideal, in Notzeiten glänzend bewährt, mußte erhalten bleiben. Mit der Gründung der Erzbruderschaft vom hl. Sebastianus im Jahre 1928 mit dem Sitz in Leverkusen wurde eine neue Aera in der Geschichte der rheinischen Schützenbruderschaften eingeleitet. 18.000 Mitglieder sind in dieser Dachorganisation zusammengefaßt.

Die Aufgaben der Bruderschaften sind heute nicht geringer als vor tausend Jahren. Mit den geistigen Waffen soll der Bruderschaftler die Ideale katholischen Gemeinschaftslebens verteidigen, und die Organisation hat hierzu das nötige Rüstzeug zu stellen. Laienapostolat in der Familie und in der Pfarrgemeinde, karitative Tätigkeit, Erziehung zum gesunden Volkssinn, Schulung für staatsbürgerliche Aufgaben und Pflege echten Brauchtums sind die erstrebenswerten Ziele. Die Waffen, die bei öffentlichen Aufzügen getragen werden, sind ausschließlich Symbole der geistigen Wehrhaftigkeit. Sie haben mit militärischen Dingen nichts zu tun, wie von gegnerischer Seite gerne behauptet wird.
Aus diesem Grunde wandte sich der Redner auch ganz entschieden gegen die Verwendung historischer Uniformen bei den öffentlichen Aufzügen. Die Verlagerung des Kampfes auf das geistige Gebiet verlange von den heutigen Bruderschaftlern eine Haltung nach außen, die den Tatchristen kennzeichnen. Den historischen Schützenbruderschaften falle hierbei die hohe Aufgabe zu, ständige Kraftquelle katholischer Aktivität zu sein.

Pfarrer Sommerhäuser dankte anschließend Schulrat Lankes in herzlichen Worten für den außerordentlich lehrreichen Vortrag. Gleichzeitig machte Vorschläge für die geplante systematische Schulung. Der nächste Vortrag über das neue Jugendschutzgesetz wird in Kürze stattfinden. Für den geplanten Siedlungsbau appellierte er an den Gemeinschaftsgeist zur freiwilligen Hilfeleistung. In der anschließenden Debatte wurden weitere beachtlcihe Vorschläge zur Hebung des kulturellen Niveaus in Hardt gemacht. Der gute Wille zur Mitarbeit war in den Reihen der Mitglieder unverkennbar. Die Saat zum Aufblühen zu bringen, dürfte nunmehr eine dankbare Aufgabe des Vorstandes sein.



Entnommen aus der Rheinischen Post, Ausgabe Mönchengladbach, 15.(?) März 1954
Leihgabe aus Hardter Pfarrarchiv, März 2000

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