ihk Krefeld - 19. Juli 2016
Bundesverkehrswegeplan:
Diskussion mit Staatssekretär
Die Güterverkehrsstrecke Eiserner Rhein ist in zwei Varianten vom Tisch.
"Wir wollen bei Ihnen Verständnis dafür wecken, dass die
niederländischen und belgischen Seehäfen für Deutschland
insgesamt, aber vor allem für das Rheinland eine große Bedeutung
haben.
Gleichzeitig steht die Region vor der großen Herausforderung, wachsende
Transitverkehre bewältigen zu müssen."
Mit diesen Worten begrüßte Jürgen Steinmetz,
Hauptgeschäftsführer der
IHK Mittlerer Niederrhein,
Enak Ferlemann.
Der Staatssekretär des Bundesministeriums für Verkehr und digitale
Infrastruktur war einer Einladung der IHK-Initiative Rheinland gefolgt,
um in Berlin mit einer Unternehmerdelegation und Bundestagsabgeordneten aus dem
Rheinland über den Entwurf des
Bundesverkehrswegeplans
(BVWP) zu diskutieren.
"Wir wollen mit Ihnen nicht über Einzelprojekte diskutieren,
uns geht es darum, das Rheinland insgesamt zu betrachten",
erklärte Steinmetz.
"Wir sehen für den
Bundesverkehrswegeplan
durchaus noch Verbesserungspotenzial."
Um diese Einschätzung zu untermauern, stellte Hans Königs von der
IVV GmbH die Ergebnisse einer Analyse der Güterverkehrsentwicklung in den
ZARA-Häfen (Zeebrügge, Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) vor,
die er im Auftrag der IHK-Initiative Rheinland erstellt hat.
"Wir gehen von einer Zunahme des Güterumschlags der ZARA-Häfen
von 2010 bis 2030 um 67 Prozent aus", sagte Königs.
"Das bedeutet für das Jahr 2030 einen Gesamtumschlag von 1,240 Milliarden
Tonnen."
Der Containerumschlag wird der Analyse zufolge in diesem Zeitraum noch dramatischer
steigen:
um 157 Prozent auf 602 Millionen Tonnen im Jahr 2030.
"Das Rheinland wird von diesem Trend besonders betroffen sein, denn die
Hälfte des Transitverkehrs in unserer Region wird demnächst mit dem
Güterumschlag in den Seehäfen jenseits der Grenze zu tun haben",
erläuterte Königs.
Der Bundesverkehrswegeplan
soll die Weichen dafür stellen, dass die Infrastruktur
in den kommenden 15 Jahren so ausgebaut wird, dass die enorme Verkehrszunahme
im Rheinland gemeistert werden kann.
"Die Zahlen, die dem BVWP zugrunde gelegt wurden, stimmen allerdings nicht
mit den tatsächlich von uns ermittelten Wachstumsraten überein",
sagte Königs.
Einerseits gehe die Prognose des Ministeriums von zu niedrigen Werten für
das Basisjahr 2010 aus.
Andererseits seien die veranschlagten Wachstumsraten zu gering.
"Beispielsweise geht das Ministerium für die Häfen Rotterdam und
Antwerpen von einem deutschlandrelevanten Güterumschlag von 177 Millionen
Tonnen im Jahr 2030 aus, unsere Analyse zeigt, dass mit 260 Millionen Tonnen
zu rechnen ist", so Königs.
Die Verkehrsmengen von und zu den Häfen würden kontinuierlich unterschätzt,
die Prognosen des Bundes führten zu unrealistischen Einschätzungen.
"Das hat Folgen für die Projektpriorisierung und für die
Mittelvergabe für wichtige Infrastrukturvorhaben", so Königs.
Die beiden Geschäftsführer der Häfen Rotterdam und Antwerpen
unterstrichen Königs Analyse und führten dem Staatssekretär vor
Augen,
in welchem Umfang sich die Häfen auf das zunehmende Güteraufkommen
vorbereiten.
"Wir wachsen kontinuierlich, zum Beispiel haben wir gerade 380 Millionen
Euro in einen Schleusen-neubau am linken Schelde-Ufer investiert",
berichtete Luc Arnouts, Chief Commercial Officer, Antwerp Port Authority.
"Genauso wichtig wie der Ausbau des Hafens sind aber Investitionen in die
Verbindungswege ins Hinterland."
Nur so ließen sich die ehrgeizigen Ziele zur Entlastung des Straßenverkehrs
erreichen:
"Wir haben uns vorgenommen, bis 2030 den Lkw-Transport von 51 Prozent auf
40 Prozent zu verringern und den Schienentransport von 8 auf 20 Prozent zu steigern."
Allard Castelein, President-Directeur (CEO), Havenbedrijf Rotterdam N.V.,
appellierte an die Adresse der Politik, Flaschenhälse zu beseitigen:
"Wir sind froh, dass das dritte Gleis der Betuwe-Linie zwischen Emmerich
und Duisburg fest disponiert ist, aber wir machen uns ehrlich gesagt Sorgen um
das Tempo und die Umsetzung des Projekts."
Der andauernde Konflikt mit den Feuerwehren und den Gemeinden um Sicherheitsfragen
sei lösbar.
"Außerdem", so Castelein, "könnten die Ziele für
die Binnenschifffahrt im
Bundesverkehrswegeplan,
insbesondere in Bezug auf das Kanalnetz und die Wasserstraße Rhein
ambitionierter ausfallen."
Die Bedeutung des Rheinlands und die Herausforderungen durch das zunehmende
Güteraufkommen über die westlichen Seehäfen sei ihm durchaus
bewusst, versicherte der Staatssekretär und nahm Stellung zu konkreten
Projekten:
"Das dritte Gleis der Betuwe-Linie wird kommen, das Planungsrecht bremst
dieses Projekt derzeit, aber wir werden damit rechtzeitig fertig."
Ferlemann ging auch auf die seit Jahrzehnten kontrovers diskutierte Reaktivierung
der Güterstrecke "Eiserner Rhein" ein.
Diese Strecke sei als Entlastung der anderen Güterverkehrsstrecken von
den Seehäfen ins Rheinland notwendig.
Die historische Trasse, die zum Teil mitten durch Wohngebiete führe, sei
nicht mehr umsetzbar und die Variante entlang der A52 zu teuer.
"Aber es gibt einen dritten Weg:
Die Variante über
Venlo mit einem
zweigleisigen Ausbau
Kaldenkirchen-Dülken",
so Ferlemann.
"Damit verbinden wir
Eindhoven mit
Düsseldorf."
Auf niederländischer und belgischer Seite gebe es viele Befürworter
dieser Trasse.
Auch das Land Nordrhein-Westfalen stehe inzwischen dahinter.
Zur Debatte um den Schienenverkehr-Flaschenhals Mittelrheintal erklärte
Ferlemann, dass das Lärmproblem des Schienenverkehrs dringend gelöst
werden müsse.
Die Belastung der Menschen, die an den stark frequentierten Strecken leben,
sei enorm.
Derzeit werde intensiv in den Lärmschutz investiert.
"Sonst werden wir keine Akzeptanz für die Schiene erreichen können."
Gleichzeitig werde über den Ausbau der Rhein-Sieg-Strecke als Alternative
zur vielbefahrenen Mittelrheinstrecke nachgedacht.
In der anschließenden Debatte appellierte Rainer Schäfer,
Geschäftsführer der Neuss Düsseldorfer Häfen, an die
Politik, in die Wasserstraßen zu investieren:
"Wieso wird der Rhein nicht bis Koblenz vertieft?"
Das nationale Hafenkonzept müsse dringend umgesetzt werden,
Schleusen modernisiert und Brücken angehoben werden.
Für Erich Staake, Vorsitzender des Vorstands der Duisburger Hafen AG,
leide der Infrastrukturausbau in Deutschland an einem grundsätzlichen
Umsetzungsproblem:
"Es beginnt bei der mangelnden Planungskapazität und endet bei der
Akzeptanz der Bevölkerung."
Staake regte eine Initiative der Logistikwirtschaft an, um den Bund mit
personellen Planungskapazitäten zu unterstützen.
"Das Angebot nehmen wir gerne an", antwortete Ferlemann.
Zur Umsetzung des
Bundesverkehrswegeplans
stehen Mittel in Höhe von
264,5 Milliarden Euro zur Verfügung.
"Das ist eine Rekordsumme, 70 Prozent davon gehen in den Erhalt, der Rest
in den Neubau, um Lücken zu schließen und Flaschenhälse zu
beseitigen."
Mit Blick auf die Herausforderungen im Rheinland versicherte Ferlemann:
"Wir kennen Ihre Probleme und wir arbeiten an den Lösungen."
Der Staatssekretär warb zum Schluss der Debatte für mehr Zuversicht:
"Deutschland ist in einem Ranking der Weltbank erneut Logistik-Weltmeister
geworden.
Irgendetwas machen wir also richtig.
Dennoch: Die Konkurrenz schläft nicht.
Insbesondere die Mittelmeerhäfen sind unsere Mitbewerber um die
Warenströme.
Wir müssen immer etwas schneller und besser sein."