Neue Rhein Zeitung (NRZ) - Mittwoch, 19. Oktober 2011
Eiserner Rhein rollt ins Aus
VON KNUT PRIES
Der Eiserne Rhein, die geplante Güterzugstrecke Antwerpen-Duisburg, gerät
ins europäische Hintertreffen. Wegen unterschiedlicher Interessen der Anrainerstaaten
Belgien und Niederlande ist das Projekt in der neuen Planung für europäische
"Kernrouten", die heute in Brüssel vorgestellt wird, keine Option
mehr.
Brüssel.
Als Jose Manuel Barroso im Mai Antwerpen besuchte, brachte der Kommissionspräsident
eine gute Nachricht mit:
Die Brüsseler EU-Zentrale werde einem Projekt Beine machen, das seit Jahren
nicht richtig von der Stelle kommt: dem "Eisernen Rhein".
So heißt die geplante Wiedereinrichtung einer historischen Güterzugstrecke
zwischen Antwerpen und dem Ruhrgebiet, die für den belgischen Seehafen wie
für die NRW-Wirtschaft außerordentlich interessant wäre.
Doch bis heute haben sich die Beteiligten nicht verständigen können,
wo genau die Trasse verlaufen und wer das Ganze bezahlen soll.
In der neuen Planung für europäische "Kernrouten", die
Verkehrskommissar Siim Kallas heute vorstellen will, kommt nach Informationen
aus der Kommission der Eiserne Rhein als ausdrückliche Option im Korridor
Nordsee-Genua nicht mehr vor.
Die von Barroso versprochene Expertise ist nie erschienen.
Und was die in Aussicht gestellten Gespräche mit den Beteiligten anlangt,
lässt ein Kallas-Sprecher wissen:
"Konfliktlösung zwischen den Niederlanden und Belgien zum Eisernen Rhein
ist eine Sache der beiden Regierungen. Die Kommission hat keine Zuständigkeit
einzugreifen".
Kein Geld für Gutachten
Hat Barroso also im Mai Unsinn geredet?
Das nicht, heißt es in der Kommission.
Aber offenbar gebe es ein Kommunikationsproblem.
Eine Studie gibt es nämlich bereits:
die Kosten-Nutzen-Analyse des Projekts, die schon 2009 vorlag.
Der ursprünglich geplante zweite Teil, der die technische Machbarkeit
untersuchen sollte, wurde indes gar nicht erst in Angriff genommen:
Wenn eine Einigung der Partner nicht in Sicht sei, mache es wenig Sinn, Geld
in Gutachten zu stecken, argumentieren Kallas' Leute.
Was auch immer zum Kuddelmuddel im EU-Hauptquartier geführt hat - klar ist,
dass Brüssel derzeit kein rechtes Zutrauen mehr in die Verwirklichung des
stolzen Projekts hat.
Und das kann jeder nachempfinden, der sich ins Gestrüpp der unterschiedlichen
Interessen begibt.
Die Belgier, und hier vornehmlich die Flamen, legen Wert darauf, Antwerpen, dem
zweitgrößten Hafen Europas, eine bessere Anbindung an die Region
Rhein/Ruhr zu verschaffen.
Die Niederländer hingegen wollen die führende Position Rotterdams
schützen.
Sie haben fast fünf Milliarden Euro in den Ausbau der Verbindung
Rotterdam-Emmerich gesteckt, ihren Teil der so genannten Betuwe-Linie.
Deren deutsche Verlängerung indes stockt.
Denn die Häfen Hamburg und Bremerhaven hegen weder für Betuwe noch
für den Eisernen Rhein Sympathien.
Dasselbe wird Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer nachgesagt.
Hinzu kommen lokale Rivalitäten und Widerstände gegen mögliche
Trassenführungen des Antwerpener Ruhr-Auslegers in Deutschland.
Im Jahr 2006 kam ein Zwischenbericht des NRW-Bauministeriums zum Schluss,
der Eiserne Rhein biete "in vielen Fällen Vorteile" gegenüber
Betuwe und zwei weiteren alternativen Schienenverbindungen von der Nordsee zum
Ruhrgebiet.
Auf europäischer Ebene ist dabei, diese Vorteile zu verspielen.