Rheinische Post - Lokales für Viersen, Brüggen, Nettetal, Niederkrüchten, Schwalmtal - Freitag, 9. November 2007
Eiserner Rhein im Schwalmtal
VON LUDGER PETERS
Demnächst rollen wohl Güterzüge an der A 52 entlang. Die historische
Trasse über Wegberg ist nach einem im Landtag vorgestellten
Gutachten
zu konfliktreich. Die Alternative entlang der A 40 kostet insgesamt 4 Mrd. Euro.
NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke will "schnellstmöglich" eine
leistungsfähige Schienenverbindung für Güter zwischen dem Hafen
Antwerpen und dem Ruhrgebiet schaffen. Im Bau- und Verkehrsausschuss des Landtages
kippte Wittke gestern gemeinsam mit Gutachter Hans Königs (IVV) den Ausbau
der historischen Trasse über Wegberg und Rheindahlen: Das Konfliktpotenzial
durch Naturschutzgebieten und Wohngebiete sei zu hoch. Auch provisorisch soll
es keinen Ausbau geben, das sei "Verschleuderung von Steuermitteln",
sagte Wittke.
Nach den Untersuchungen von IVV läuft alles auf die Neubautrasse entlang
der A 52 zwischen Roermond/Grenze und Viersen hinaus. Der Bau einer eingleisigen,
nicht elektrifizierten Strecke wird laut Gutachten 440 Mill. Euro verschlingen.
Davon entfielen auf den deutschen Abschnitt 335 Mill. Euro. Baue man die Strecke
zweigleisig und elektrifiziert aus, koste sie insgesamt 585 Mill. Euro, wovon
der deutsche Steuerzahler 450 Mill. Euro aufzubringen hätte. Von der Kostenseite
her nicht empfehlenswert ist für Königs die A 40-Neubaustrecke von Venlo
über Moers nach Duisburg. Im Paket kostet die Schienenstrecke vier Milliarden
Euro, davon entfielen 900 Mill. auf die deutsche, 2 Mrd. auf die niederländische
und 1,1 Mrd. auf die belgische Seite. Gegen die A40-Variante spricht für
die Gutachter, dass sie etwas mehr Konfliktpunkte aufweist als die entlang der
Autobahn 52. Im Verlauf der A 40 rücke die Bebauung vielfach viel zu nahe
an die Strecke, es müssten teurere technische Bauwerke (Brücken, Tunnel)
geplant werden, und die Probleme mit dem Naturschutz seien eher an der A 52 lösbar.
Königs will die neue Trasse in das vorhandene Gleis zwischen Viersen und
Mönchengladbach-Nord so einhängen, dass Züge in Richtung Krefeld-Duisburg
und Mönchengladbach-Köln fahren können. Der Gutachter rechnet mit
geringem Aufwand für Lärmschutz, da entlang der Strecke weniger dichte
Bebauung und die auch noch relativ weit weg stehe. In Nähe der Grenze bietet
IVV eine Lösung für zwei Probleme an: Den Bau eines einen Kilometer
langen Tunnels, der die für Güterzüge extreme Steigung von der
Maas zum Elmpter Wald ermöglicht. Er soll zugleich ausreichenden Schutz für
die sensible Natur dort bieten.
Fragen aus dem Ausschuss zum zeitlichen Rahmen wich Minister Wittke aus. "Die
Durchsetzbarkeit der gewählten Trasse wird das entscheiden." Die CDU-Fraktion
will in die Region gehen, in der sich allenthalben Bürgerinitiativen heftig
gegen jede Trasse wehren. Den Bürgern in Krefeld, Mönchengladbach und
Viersen verpasste sie einen Dämpfer: Die vorhandene Strecke an ihren Häusern
entlang sei nicht der "Eiserner Rhein".
Gutachten
Hans Königs stellte gestern eine
Zwischenversion
vor. Das endgültige Gutachten soll in vier Wochen vorliegen
Stellenwert
Das Land leistet nach Angaben von Minister Wittke Vorarbeit. Verhandlungen wird
der Bundesverkehrsminister mit Brüssel und Den Haag führen.
Kritik
SPD und Grüne warnten vor einer vorzeitigen Festlegung. Die SPD fordert den
Vollausbau mit zwei Gleisen und Elektrifizierung. Die Liberalen neigen der Autobahn
52 zu.
Tief betroffen reagierten Vertreter der Bürgerinitiative
"Nein A 52 Eiserner Rhein"
und Gegner der Strecke durch Krefeld, Viersen und Mönchengladbach.
Die einen spüren, was kommen wird: Ein Streckenneubau vor ihren Türen.
Und die anderen wissen, dass CDU-Landespolitiker die zusätzliche Belastung
durch Güterverkehr auf vorhandenen Strecken nicht in ihre Überlegungen
einbeziehen. Den Politikern ist zu raten, das
Gutachten
auf Herz und Nieren zu prüfen.
Es enthält schon auf den ersten Blick Ungereimtheiten.
IVV behauptet, die Niederländer wollten nur einen eingleisigen Ausbau ohne
Elektrifizierung. Das stimmt so nicht. Dies gilt nur für die Strecke durch
den Meinweg.
IVV behauptet, dass der Eiserne Rhein deutlich mehr Güter von der Straße
auf die Schiene holt.
IVV hat an einem niederländischen Gutachten mitgewirkt, das den Unterschied
mit oder ohne Eisernen Rhein im Jahr 2030 auf neun (!) Züge täglich
berechnet hat.
Das Gutachten sollte auch auf eine (bestellte?) Zielrichtung geprüft werden.
LUDGER PETERS