Rheinische Post - Lokales für Viersen, Brüggen, Nettetal, Niederkrüchten, Schwalmtal - Montag, 28. Januar 2008
Eiserner Rhein: Wittke für A 52
VON LUDGER PETERS
Kreis Viersen
NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke absolvierte in Hardt eine routinierte Vorstellung.
Für ihn ist der Bau des Eisernen Rheins durchs Schwalmtal beschlossene Sache.
Den Rest müssen die Staatsregierungen nun machen.
"Mir ist relativ egal, wo der Eiserne Rhein entlang fährt."
Da ist wieder so eine flapsige Bemerkung, mit denen NRW-Verkehrsminister Oliver
Wittke die Menschen in Niederkrüchten, Schwalmtal und Viersen auf die Palme
bringt. In der überfüllten Aula der
Gesamtschule am Vossenbäumchen in Hardt
regt sich Unmut. Aber Buhrufe und vereinzelte Pfiffe halten sich in Grenzen.
Viel erwartet haben die Bürger von dieser Veranstaltung ohnehin nicht.
"Er wird Schönwetter machen und uns beschwichtigen", sagt ein
Interessierter vor der Veranstaltung.
Aufgebrachte Bürger
Wenige Augenblicke später taucht Wittke aus dem Nichts im Foyer des Gebäudes
auf. Bezirksvorsteherin Manuela Luhnen eilt als einladende Gastgeberin auf den
Minister zu, hinter ihr haben sich die heimischen CDU-Landtagsabgeordneten Michael
Schrören, Norbert Post und Dr. Stefan Berger aufgebaut. Kurzer Händedruck,
die Fotografen entfachen ein kleines Blitzlichtgewitter. Wittke findet, er habe
sich das Wochenende redlich verdient. Eben kommt er von einer mindestens ebenso
emotional besetzten Debatte um nächtlichen Frachtflug im Köln-Bonner
Raum.
Nun geht er mit hoch geklapptem Visier locker hinein in die Konfrontation mit
den aufgebrachten Bürgern entlang des Eisernen Rheins. Wittke zeigt Verständnis
für die Sorgen und bittet um Verständnis dafür, dass er für
die Gesamtentwicklung Nordrhein-Westfalens Verantwortung trägt. Die Bahnstrecke
zwischen Antwerpen und den Rheinhäfen von Köln-Godorf über Neuss,
Krefeld bis Duisburg sei überlebensnotwendig. Die Vorgängerregierung
habe jahrelang untätig darauf gewartet, dass Belgier und Niederländer
sich auf eine Strecke einigten. Er habe die Initiative ergriffen und die alte
Trasse für ungeeignet befunden.
Die immer wieder von Fragestellern angesprochene A 40-Trasse von Venlo nach Duisburg
sei auch ungeeignet. Aber, so beteuert Wittke, noch sei alles offen. Er hat nur
einen Vorschlag unterbreitet. Die Verkehrsministerien in Berlin, Den Haag und
Brüssel müssten sich auf eine Trasse einigen. 32 Gutachten lägen
vor, jetzt müsse gehandelt werden. Wittke sieht ein "ureigenes Interesse
des Landes, an alle direkt erreichbaren überseehäfen mit leistungsfähigen
Verbindungen angeschlossen zu sein". Er will eine Trasse verwirklichen, die
effizient, leistungsfähig und möglichst wenig konfliktbeladen ist.
Gelächter im Saal begleitet diese Worte.
ähnlich ergeht es Wittke ganz am Ende, als er von Wertschöpfung entlang
der Trasse spricht. Ja, das britische Militärgelände in Elmpt ist einer
der Hauptgründe, warum die Trasse hier entlangführen soll. "Hier
soll ein trinationales Frachtzentrum errichtet werden", sagt er. Kenner sehen
sich verblüfft an. Auch Belgien soll nun in Elmpt Fracht umschlagen? Was
es nicht alles gibt. Nachfragen sind zwecklos. Nach nahezu zwei Stunden verschwindet
Wittke im Dunkel der Nacht. Er hinterlässt ratlose Bürger.
KOMMENTAR
Förderpolitik nach Gutsherrenart
Vielleicht fehlen dem Gelsenkirchener Oliver Wittke echte Grenzerfahrungen. Ein
"trinationales Logistikzentrum" in Elmpt ist in sich unschlüssig.
Es wird Hasardeure anziehen, die Subventionen abkassieren und am Ende des Förderhorizonts
Wittkes Kunstwelt verlassen werden. Im Ruhrgebiet mag das normal sein. Im grenzüberschreitenden
Europa der Regionen hat nationalistisch motivierte Wirtschaftsförderung nichts
zu suchen. In Venlo arbeiten und studieren immer mehr Deutsche, sie leben von
und mit diesem Logistikschwergewicht. Eine solide und dauerhafte wirtschaftliche
Wertschöpfung am Eisernen Rhein ist nur im binationalen Großraum Venlo
möglich. Die Politik schafft nach Bedürfnissen Rahmenbedingungen für
die Infrastruktur. Sie soll aber nicht per Zufallsgenerator willkürlich
einen künstlichen Wurmfortsatz anpappen, nur um Kritiker ruhig zu stellen.
Im erträumten Logistikzentrum Elmpt werden künftig Subventionen sinnlos
verbrannt, um heute Kritiker mundtot zu machen.
LUDGER PETERS