Lokales - Rheinische Post - Mittwoch, 6. Mai 2009
Eiserner Rhein: Wirtschaft warnt vor Stau-Infarkt
VON GERHARD VOOGT
Köln
Die Industrie- und Handelskammern Aachen, Bonn/Rhein-Sieg, Düsseldorf und
Mittlerer Niederrhein stellten gestern in Köln ihr Konzept "Verkehrsleitbild
Rheinland" vor. Das Papier listet 30 Projekte auf, deren Ausbau, Neubau
oder Optimierung gefordert wird. "Der Bundesverkehrswegeplan rechnet beim
Verkehrsaufkommen mit einer Steigerung von 79 Prozent im Straßengüterverkehr",
erklärte Herbert Ferger, Hauptgeschäftsführer der IHK Köln.
"Damit werden die Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur deutlich zunehmen."
Schon jetzt seien die Autobahnen an ihre Belastungsgrenze geraten, sagte Teamleiter
Clemens Lueg. Spätestens in fünf Jahren drohe der Verkehrsinfarkt,
wenn nicht bedarfsgerecht investiert werde. Die Rheinschiene bilde als Herzstück
Europas eine Schnittstelle der Warenströme. Ausbaubedarf bestehe insbesondere
bei den Verkehrswegen in West-Ost-Richtung. Die Bundesregierung müsse dauerhaft
zwölf Milliarden Euro jährlich für Verkehrsprojekte in den Haushalt
einstellen. Zu den wichtigsten Forderungen zählt der Bau von leistungsfähigen
Güterzugverbindungen zu den Seehäfen Rotterdam in den Niederlanden
("Betuwe-Linie") und Antwerpen in Belgien ("Eiserner Rhein").
Die FDP im Düsseldorfer Landtag begrüßte den IHK-Vorstoß.
Es sei wichtig, das die Kammern auf den "dringenden Handlungsbedarf"
beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur hinwiesen. Der Bund müsse die Einnahmen
aus Mineralölsteuer, Kfz-Steuer und Mautgebühren gezielt für Verkehrsprojekte
einsetzen, sagte Dietmar Brockes, der wirtschaftspolitische Sprecher der Liberalen.
SPD und Grüne verlangten verstärkte Anstrengungen bei der Verkehrsverlagerung
von der Straße auf die Schiene. CDU und FDP verweigerten sich aus "ideologischen
Gründen", kritisierte SPD-Verkehrsexperte Bodo Wißen. Der Klever
verlangte eine Anhebung der Mautgebühren an Nadelöhren und zu verkehrsreichen
Tageszeiten. Horst Becker, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag,
nannte die IHK-Forderungen "Lobby-Geschrei". Es sei unglaubwürdig,
gleichzeitig die Abschaffung der LKW-Maut und den Ausbau des Verkehrsnetzes zu
fordern.
Die Kammern wollen NRW-Verkehrsminister Lutz Lienenkämper ihr Konzept bei
einem Treffen am 3. Juli vorstellen. "Es ist nötig, damit fortzufahren,
den Infrastrukturstau der Vergangenheit aufzulösen", sagte der CDU-Politiker
gestern unserer Zeitung. In Fällen, in denen berechtige Anwohnerinteressen
Projekte blockierten, werde er "zur Beschleunigung des Verfahrens möglichst
Kompromisslösungen verhandeln", kündigte Lienenkämper an.