Rheinische Post - Stadtteile - Mittwoch, 23. Februar 2011

Blinde Schützen schießen nach Gehör


VON CHRSITIAN HENSSEN

Hardt. Hätte jemand Claudia Schulz vor 30 Jahren gesagt, dass sie einmal eine Schießsportabteilung gründen würde, sie hätte lächelnd mit dem Kopf geschüttelt. Heute lächelt sie wieder. Nur den Kopf, den hält sie ganz ruhig - dem Gesprächspartner zugewandt. Vor 17 Jahren, im Alter von 30, hat sie als Folge einer Diabetes-Erkrankung ihr Augenlicht verloren. "Ich wurde mitten aus dem Leben gerissen. Da fällt man in ein tiefes Loch", erzählt die Industriekauffrau. Den Kopf in den Sand gesteckt hat sie nicht. Im Blinden- und Sehbehindertenverein Mönchengladbach und Viersen hat sie ihren Mann Horst kennen gelernt. "Er ist fast zeitgleich erblindet wie ich", sagt Claudia Schulz. Vor zehn Jahren haben sie geheiratet. Heute ist es für das Ehepaar selbstverständlich, spazieren und tanzen zu gehen, sich mit Freunden zu treffen - und ihrem größten neu gewonnenen Hobby nachzugehen: dem Luftgewehrschießen. "Das ist eine Sportart, die wir gut ausüben können. Und man hat auch mal ein Erfolgserlebnis, wenn man die Zehn trifft", sagt die Sportschützin. Von Ehrgeiz gepackt, gründete sie mit ihrem Mann letztes Jahr die erste Mönchengladbacher Schießgruppe für blinde Schützen. Der Hardter Schützenverein Falkenauge nahm sie auf.
Das aber reichte den neun Damen und Herren nicht: "Unsere Anfängergruppe hatte Mut genug, kurz nach ihrer Gründung am NRW-Cup der blinden Schützen teilzunehmen", erzählt die Initiatorin. Mit Erfolg: Die Gladbacher heimsten gleich den zweiten Platz ein. Aber sie wollten mehr. So folgte die Einladung zu einem Städtevergleichskampf im Luftgewehrschießen. Jeweils acht Schützen aus Siegburg und Gladbach fanden sich in der Schießsportanlage in Hardt ein. Durch ein ausgeklügeltes System ist es auch den Sehbehinderten und Blinden möglich, zu schießen. "Wir benutzen ein handelsübliches Luftgewehr, auf dem ein Zielfernrohr mit einer integrierten Fotozelle montiert ist", erklärt Horst Schulz. Das durch das Objektiv einfallende Licht erzeugt in der Fotozelle eine elektrische Ladung, die in einen dauerhaften Ton umgewandelt wird. Je heller das einfallende Licht, desto höher der Summton. Anders als beim Schießsport werden die Ringe auf den Zielscheiben von außen nach innen heller. Der höchste Ton bedeutet also: Mitten in die weiße Zehn getroffen.
Genau die trifft Horst Schulz zweimal hintereinander, nachdem ihn Vereinsleiter Hans Engels am Schießstand ausgerichtet hat. Den Siegburgern aber gelingt das öfter. Sie entschieden den Wettkampf am Ende mit 1151 zu 1070 Ringen für sich. "Die Siegburger trainieren ja schon seit sechs Jahren. Wir haben viel gelernt", sagt Claudia Schulz.


Entnommen aus der Rheinischen Post, Ausgabe Mönchengladbach, 23. Februar 2011

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