Rheinische Post - Mönchengladbacher Stadtpost - Mittwoch, 21. Juli 2021

Woher Hardt seine Straßennamen hat

Vor drei Jahren begann der Leiter des Hardter Pfarrarchivs, Herbert Kemmerling, sein Heimatforschungsprojekt: Er wollte herausfinden, woher die Namen der Straßen seiner Heimat stammen. Seine Ergebnisse hat er nun in einem kompakten Buch veröffentlicht.


von Ansgar Fabri

(RP). Mönchengladbach Wer 1939 zur Jugendherberge im Hardter Wald wollte, erreichte sie über die "Straße der HJ" (Hitler Jugend). Der Krieg fraß sich durch das Land, die Birkenallee blieb, der Straßenname verschwand. Dank einer Rundverfügung von 1945 steht seitdem "Brahmsstraße" auf den Straßenschildern. 63 Straßen und Wege ziehen sich durch Hardt. Herbert Kemmerling leitet ehrenamtlich das Pfarrarchiv von Sankt Nikolaus und hat über die Namensgebungen der Hardter Straßen geforscht. Nun hat er ein Buch darüber veröffentlicht.

63 Seiten umfasst der schlanke Band, ist bunt bebildert, klar strukturiert und sehr informativ. Der schnörkellose Titel: "Hardter Straßen - welche Bedeutung haben unsere Straßennamen?" Herausgegeben hat es der Heimat- und Bürgerverein Hardt unter der Vorsitzenden Hiltrud van de Mey.

Die Ursprünge der jetzt erschienenen Publikation reichen bis ins Jahr 1980 zurück, als ein Teil der Hardter Waldstraße in Pastorenkamp umbenannt wurde. "Das ging von heute auf morgen, und ich habe mich gefragt: Kann man so einfach Straßennamen ändern?", erinnert sich Kemmerling: "So bin ich darauf gestoßen, dass einige Straßennamen bereits geändert wurden." Vor drei Jahren startete er sein Buchprojekt, wobei die Corona-Pandemie die finalen Publikationsvorbereitungen verzögerte. Etwa ein Jahr arbeitete sich Kemmerling durch alte Dokumente im Pfarrarchiv und Stadtarchiv, 61 Quellen listet er im Anhang des Buches auf.

Jahrzehnte vor Kemmerling engagierte sich ein anderer Hardter für das Pfarrarchiv und die Heimatforschung: Johann Labbé, nach dem seit 1974 die Labbéstraße benannt ist, die zuvor den Namen "Kampweg" trug. 1897 trat Labbé an der Hardter Schule seine Stelle als Hauptlehrer an, wo er 1918 zum Rektor ernannt wurde. 27 Jahre lang engagierte sich Labbé für Hardt. Er veranstaltete dort mit Freunden 1897 den ersten St. Martinszug im Ort inklusive Bescherung für die Kinder und gilt als Gründer des St. Martinsvereins in Hardt. In seiner Amtszeit wurde nicht nur das Schulgebäude erweitert, sondern an der Ecke Winkelner Straße / Glockenstraße eine neue Schule errichtet. Er schrieb unter anderem eine Chronik über Hardt und Gedichte. Er wurde 88 Jahre alt.

Mit nur 46 Jahren verstarb im Jahr 1900 Louise Gueury an Lungentuberkulose - so wie ihr Vater und ihre beiden Brüder. Offenbar geprägt von diesen Ereignissen, setzte sie wenige Monate vor ihrem Tod die Stadt Mönchengladbach als Alleinerbin ihres Vermögens von mehr als einer Million Mark ein, mit der Auflage, im Hardter Wald eine "Volksheilstätte" für heilbare Lungenkrankheiten zu bauen. Bereits vier Jahre später bezogen die ersten Patienten ihre Zimmer in der neuen Klinik, die noch den Namen ihrer Stifterin trug. Das Krankenhaus wurde weiterentwickelt, erhielt 1959 den Namen "Hardterwald Klinik", bevor aus ihr wegen geringeren Vorkommnissen von Lungenkrankheiten 2012 der "Herzpark" hervorging. Der Name von Louise Gueury lebt als Straßenname in Hardt weiter.

Eine Geschichte von Verlust und Neubeginn steht hinter dem Namen der Glockenstraße, die um das Jahr 1860 Scheffelsstieg und ab 1888 Schulstraße hieß. Während des Ersten Weltkriegs nahmen die Hardter Abschied von ihren Kirchenglocken, die an der Gaststätte "Zur Börse" aufgestellt wurden, bevor sie abtransportiert und zu Kriegszwecken eingeschmolzen wurden. Noch vier Jahre nach Kriegsende erklang vom Turm der St. Nikolauskirche kein Glockenläuten. Am 30. März 1924 standen an der Schulstraße neue Glocken. Mit einer Prozession begleiteten die Hardter die Glocken zur Kirche. Seit diesem Tag hieß die Schulstraße im Volksmund Glockenstraße. 50 Jahre sollten diese Glocken noch weit über der Straße läuten, bis diese am 9. Oktober 1974 offiziell in Glockenstraße umbenannt wurde.

Das Buch ist in Hardt bei der Volksbank, der Linden-Apotheke und im Pfarrbüro erhältlich. Es kostet 5 Euro, die Einnahmen gehen an den Hardter Heimat- und Bürgerverein.


Entnommen aus der Rheinischen Post, Ausgabe Mönchengladbach, 21. Juli 2021



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