Rheinische Post - Wegberg - Dienstag, 8. Februar 2022
Die Angst vor dem Eisernen Rhein bleibt
Das Land und die Bahn planen, die Teilstrecke zwischen Dalheim und Roermond zu reaktivieren.
Nun fürchten Wegberger Bürger, dass in Zukunft auch wieder Güterzüge rollen könnten.
von Stephan Vallata
Wegberg (RP).
Als Schreckgespinst hat der Eiserne Rhein wenig von seiner Bedrohlichkeit verloren.
Obwohl mehr als zehn Jahre vergangen sind, seitdem die politischen Pläne zur Reaktivierung der ehemalige Güterzug-Expresslinie von Antwerpen über Wegberg bis ins Ruhrgebiet – zumindest auf deutscher Seite – beerdigt wurden. Die Strecke selbst wird seit 1992 nicht mehr genutzt. Lange hatten sich Rat und Verwaltung der Mühlenstadt sowie eine Bürgerinitiative in den 90er und 2000er Jahren gegen eine Wiederbelebung der historischen Trasse eingesetzt. Jetzt gibt es neue Planungen des Landes NRW und der Deutschen Bahn, die Strecke Dalheim-Roermond für den grenzüberschreitenden Personenverkehr zu reaktivieren. Dazu soll die bisher in Mönchengladbach endende Linie S8 im Halbstundentakt über Wegberg bis Roermond verkehren.
Als Günter Arnolds davon erfuhr, habe er mit Irritation und Unverständnis reagiert.
Sein erster Gedanke war: "Geht das schon wieder los."
Der 67-Jährige ist eines der Gründungsmitglieder des früheren Bürgervereins Eiserner Rhein.
Alle Höhen und Tiefen während des jahrelangen Protestes hat er hautnah miterlebt.
Mit den damaligen Aktivisten, die nun wieder auf den Plan gerufen werden, teilt er eine Befürchtung:
Wenn man Teile der historischen Strecke für den Personennahverkehr wieder eröffne,
setze man damit auch die Hürde für einen möglichen Güterverkehr herab.
Dieser könne dann unter Umständen durch die Hintertüre realisiert werden, glaubt Arnolds und
mit ihm die Mitglieder des Bürgervereins, der sich nie aufgelöst hat, aber mittlerweile nicht mehr aktiv ist.
"Ich persönlich habe es in den 20 Jahren, in denen ich mich mit dem Eisernen Rhein beschäftige,
mindestens vier Mal erlebt, dass die Reaktivierung der historischen Strecke wieder aus der Schublade gezogen wurde",
sagt Günter Arnolds.
Wer in seinem Garten oder dem eines beliebigen anderen Wegbergers steht,
dessen Grundstück an der heute eingleisigen Schienenstrecke liegt, versteht unmittelbar,
welche Sorge die Hausbesitzer umtreibt:
Lange, dicht getaktete Güterzüge verursachen Lärm und reduzieren die Lebensqualität
erheblich – die Menschen nicht nur in Wegberg, sondern im gesamten Ruhrgebiet halten dies für unzumutbar.
"Es wäre nicht nur eine Lärmbelästigung, es wäre eine Gesundheitsbelastung",
sagt Günter Arnolds. "Das macht kein Kreislauf auf Dauer mit."
In Deutschland wären etwa 150.000 Menschen zwischen Dalheim und Duisburg unmittelbar betroffen gewesen.
Von bis zu 72 Zügen pro Nacht beziehungsweise Tag war damals die Rede.
Erst 2018 entschied das Eisenbahn-Bundesamt, das Teilstück zwischen dem Bahnhof Dalheim und
der niederländischen Grenze endgültig stillzulegen.
Zuvor hatte die Deutsche Bahn Netz AG einen entsprechenden Antrag wegen
"Unwirtschaftlichkeit des Streckenbetriebs" gestellt.
Die Strecke ist zwar nur 1,2 Kilometer lang,
hatte aber eine strategische Bedeutung für die Pläne zum Eisernen Rhein, die damit hinfällig waren.
In einem Gutachten des Landes wurden 2014 Kosten in Höhe von etwa 450 Millionen Euro für die historische
Trasse über Wegberg ermittelt – wesentlich mehr als die vom Bund ursprünglich geschätzten 150 Millionen Euro.
Wesentlicher Grund dafür waren zusätzliche Ausgaben für Lärmschutz.
Hinzugekommen wären weitere hohe Kosten für die geforderte Untertunnelung des
Nationalparks Meinweg in den Niederlanden.
Genau dort sieht Günter Arnolds einen weiteren wesentlichen Kritikpunkt auch am Personenverkehr zwischen
Dalheim und Roermond, der in der Zielnetzkonzeption von Landesverkehrsministerium und DB für das Jahr 2040
enthalten ist.
"Wenn man die historische Strecke reaktiviert, selbst wenn es nur für den Personenverkehr ist,
dann schlägt man eine Schneise durch den Nationalpark."
Dieser verläuft östlich von Roermond und ist ein Schutzgebiet im Sinne der
Fauna-Flora-Habitat-Naturschutzrichtlinie der Europäischen Union.