Rheinische Post - Mönchengladbacher Stadtpost - Samstag, 18. Januar 2025

Abschiebegefängnis statt JVA im JHQ

Die Pläne für das frühere Nato-Hauptquartier haben sich in Teilen geändert. Das Land will dort nun eine Haftanstalt für Ausreisepflichtige bauen – auch als Reaktion auf das Attentat von Solingen. Die Stadt Mönchengladbach ist in die Planung eingebunden. Auf welche Resonanz das Vorhaben stößt.


von Carsten Pfarr und Denisa Richters

(RP). Das Land NRW will auf dem ehemaligen Militärgelände in Rheindahlen ein Abschiebegefängnis bauen. Auf Anfrage bestätigte ein Sprecher des zuständigen Landesministeriums für Integration und Flucht entsprechende Informationen unserer Redaktion am Donnerstag. Oberbürgermeister Felix Heinrichs (SPD) wollte sich zuvor nicht zu den Plänen äußern und verwies auf den federführenden landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) sowie das Ministerium. Das gab das Vorhaben dann am Freitag, 17. Januar, offiziell bekannt.

Die nun geplante Haftanstalt soll demnach Platz für bis zu 140 ausreisepflichtige Personen haben. Und sie ist erst die zweite in ganz NRW. Die erste Einrichtung gibt es in Büren (Ostwestfalen-Lippe). Dort werden zur Abschiebung vorgesehene Männer untergebracht, bei denen die Gefahr besteht, dass sie sich der Abschiebung entziehen könnten. Die 175 Plätze in dieser Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA), wie sie offiziell heißt, reichen jedoch längst nicht mehr aus, weshalb eine zweite UfA nötig ist. Das auch vor dem Hintergrund eines Maßnahmenpakets, das die schwarz-grüne Landesregierung nur wenige Wochen nach dem Attentat von Solingen beschlossen hatte. Das sieht unter anderem eine stärkere Unterstützung der fünf Zentralen Ausländerbehörden bei Abschiebungen sowie die Einrichtung einer weiteren Abschiebehaftanstalt in NRW vor.

Bei dem Anschlag hatte ein Mann während des Fests zum 650-Jahr-Jubiläum der Stadt Solingen Besucher eines Open-Air-Konzerts mit einem Messer angegriffen und gezielt in den Halsbereich gestochen. Drei Menschen starben, acht weitere wurden schwer verletzt. Wenig später wurde ein 26-jähriger Syrer wegen des Verdachts einer islamistischen Terrortat festgenommen. Es kam heraus, dass der mutmaßliche Täter in einer Flüchtlingsunterkunft lebte und eigentlich bereits Monate zuvor hätte abgeschoben werden sollen. Weil das nicht erfolgt war, standen auch die zuständige Landesministerin und mehrere Behörden im Fokus der anschließenden Diskussion über die Abschiebepraxis. Die zusätzliche UfA ist eine der Konsequenzen.

Mehrere Standorte sollen dafür geprüft worden sein. Schließlich fiel die Wahl auf das JHQ in Rheindahlen. Dabei sollen nach Informationen unserer Redaktion auch Synergien mit der dort bereits bestehenden Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete des Landes eine Rolle gespielt haben - etwa bei Dolmetschern. Ein wichtiges Kriterium für ein Abschiebegefängnis sei aber auch die Nähe zum Flughafen Düsseldorf. Aufgaben der UfA sind die Verwahrung und Betreuung von ausreisepflichtigen Ausländern zur Sicherung der Abschiebung. Die Kosten für den Neubau trägt das Land, das auch den Betrieb übernimmt. Wie viel Geld dafür fließen muss, kann ein Sprecher auf Anfrage nicht beziffern. Das Land habe aber "haushälterische Vorkehrungen" getroffen.

Zunächst wollte das Land im JHQ eine Justizvollzugsanstalt (JVA) mit bis zu 600 Plätzen einrichten. Das Abschiebegefängnis fällt, das sagt Oberbürgermeister Felix Heinrichs am Freitag im Gespräch mit unserer Redaktion, dagegen kleiner aus - in der benötigten Fläche und bei der Anzahl der Haftplätze. Über die Anstalt sagt er: "Keiner möchte sie haben, aber irgendwo müssen solche Einrichtungen nun mal stehen." Wenn die Planung erfolgreich umgesetzt werde, würden die Bürger von der UfA im Alltag nichts mitbekommen, führt Heinrichs aus. Ferner seien durch die enge Abstimmung mit dem Land Synergien bei der Umsetzung möglich. Die Stadt Mönchengladbach möchte nämlich ein etwa 60 Hektar großes Gewerbegebiet im JHQ ausweisen. Für die Fläche läuft derzeit eine Machbarkeitsstudie, die laut Heinrichs in diesem Jahr fertig wird.

Dass Bund, Land und Stadt bei der Entwicklung des Areals "auf Augenhöhe agieren", hebt der CDU-Landtagsabgeordnete Jochen Klenner hervor. Und: "Durch die gemeinsame Nutzung wird es möglich sein, das JHQ schneller und besser zu erschließen und zu entwickeln." So seien auch früher Firmenansiedlungen und die Schaffung von Arbeitsplätzen sicht- und spürbar. Laut Klenner war Mönchengladbach schon in der Vergangenheit mehrfach für ein Abschiebegefängnis im Gespräch. Nun zeige die Stadt erneut Verantwortung im Bereich Migration. "Das haben wir bereits mit der Erstaufnahmeeinrichtung bewiesen und nun auch in diesem Teilbereich des Themas", sagt der CDU-Politiker.

Lena Zingsheim-Zobel, Landtagsabgeordnete der Grünen, hebt hervor, dass "ein sensibler Umgang und begleitende Maßnahmen wichtig" seien, da sich auf dem Areal auch die Erstaufnahmeeinrichtung befinde. Auch mit dieser stehe die Stadt Mönchengladbach "für ein vielfältiges Miteinander und Solidarität mit schutzsuchenden Geflüchteten", sagt Zingsheim-Zobel.

Deutlich negativ sieht hingegen die Linke die Entscheidung. Deren Bezirksvertreter im Westen, Erik Jansen, kritisiert, dass es in der Vergangenheit "viele positive Vorhaben" für das JHQ gegeben habe. Stattdessen gebe es dort einen "Schießstand für die Bundespolizei" und bald einen "Abschiebebahnhof". Nachdem die Menschen wegen der Pläne zur "Remigration" auf die Straße gegangen seien, befeuere die Landesregierung nun weitere Abschiebungen. Und dass ein Abschiebegefängnis in unmittelbarer Nähe zu der Erstaufnahmeeinrichtung ("ein Ort, an dem Menschen ankommen können und der positives beiträgt", so Jansen) errichtet wird, hinterlässt den Linken-Politiker fassungslos.

Einen genauen Zeitplan für die UfA im JHQ gibt es noch nicht. Die Stadt muss das Planungsrecht schaffen, die Politik dem entsprechenden Plan zustimmen. Für das Land stellen sich den Angaben des Ministeriumssprechers zufolge noch "unter anderem Fragen der Erschließung, des Abrisses der bisherigen Bausubstanz und des Natur- und Umweltschutzes". Der Baubeginn solle aber "schnellstmöglich" erfolgen.

Für das bis 2013 von den britischen Streitkräften genutzte Gelände, das eine Größe von etwa 376 Hektar hat, hatte es schon viele Pläne gegeben. So reichten die Ideen von Luxus-Erholungs-Ressort über Festival-Gelände bis zu einem Naherholungsgebiet. Sparkassenpark-Betreiber Michael Hilgers, der unweit wohnt, hatte zuletzt ein Amphitheater ins Spiel gebracht.

Der Erstaufnahmeeinrichtung betreibt das Land seit 2016 auf dem JHQ. Die Stadt will auf dem Gelände ein neues Gewerbegebiet ausweisen. Mittelfristig taucht das Projekt in einer Prioritätenliste für neue Flächen für Industrie und Gewerbe auf. Ob es wirklich so kommt, ist noch offen. Außerdem haben die Landespolizei und der Zoll sich mit Anfragen an die Bundesanstalt für Immobilien (BImA), die Eigentümerin des Areals im Westen von Mönchengladbach, gerichtet. Die Polizei, die bereits 85 Hektar im Osten des Areals nutzt, möchte auf weiteren 36 Hektar ein Trainingsausbildungszentrum für Drohnenpiloten einrichten. Der Bund will 30 Hektar für den Zoll nutzen.



Entnommen aus der Rheinischen Post, Ausgabe Mönchengladbach, 18. Januar 2025



Siehe hierzu auch Artikel vom 29. Februar 2024:
Land will Gefängnis im ehemaligen JHQ bauen



Siehe hierzu auch Presse-Mitteilung vom 17. Januar 2025:
Zukünftige JHQ-Nutzung: Stadt und Land prüfen gemeinsam, was machbar ist


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