Westdeutsche Zeitung - Sonntag, 5. März 2017
Zweigleisiger Ausbau verzögert sich
Westdeutsche Zeitung - Kreis Viersen.
Die Bahn kann in Nettetal nicht bauen, weil erst die rechtsrheinische
"Betuwe-Linie" fertiggestellt werden muss.
Nettetal.
Hoffnungen auf den baldigen Bau eines zweiten Gleises für die Eisenbahnstrecke
zwischen Kaldenkirchen
und Dülken
lässt Carsten Wiemer nicht aufkommen.
Der Kundenberater der DB Netz AG in Duisburg nennt als frühesten Zeitpunkt
für eine Erweiterung des Nadelöhrs im Personen- und Güterverkehr
das Jahr 2023, "wenn bis dahin die Fortsetzung der Betuwe-Linie fertig ist".
Auch über den "Eisernen Rhein" wird wieder gesprochen
Das passt so gar nicht zum Wunsch der Politik, möglichst schnell zumindest
Teile des wachsenden Gütertransports von der Straße auf die Schiene
zu verlagern.
Doch bei einem Diskussionsabend der Grünen-Kreispartei in der Akademie
Heydevelthof in Leutherheide wird auch deutlich, dass der Niederrhein und der
Kreis Viersen eine kräftigere Lobby in
Berlin
brauchen, wenn es um den Schienenausbau und seine Finanzierung geht.
Denn den Bund interessiert nicht, wie die belgischen und niederländischen
Häfen Zeebrugge, Antwerpen,
Rotterdam und Amsterdam (ZARA) ihre
Güter in Richtung Mitteleuropa transportieren.
Er ist an einer Stärkung der Häfen Hamburg und Bremen interessiert,
deren Eisenbahnverbindungen nach Süden und Osten ausgebaut werden.
Ein eklatantes Beispiel für die Nichtbeachtung des Niederrheins ist die
jahrelange Verzögerung beim Ausbau der Schienenverbindung zwischen
Emmerich und Oberhausen, die vollständig überlastet ist, nachdem die
Niederlande ihre nur dem Güterverkehr dienende Betuwe-Linie bis an die
Grenze gebaut hatten.
Nun soll das dritte Gleis verlegt werden.
Und deshalb kann in den kommenden Jahren nichts an der Strecke
Kaldenkirchen-Dülken
getan werden,
"weil wir sie auch als Ausweichstrecke brauchen",
sagt der DB-Netz-Vertreter.
Zudem rangiert Kaldenkirchen-Dülken in Berlin nur als
"Anhängsel von Köln,
wenn es dort zu eng wird", macht Wolfgang Baumeister klar.
Der Verkehrsreferent der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein
zeigt auf, dass der Güterstrom von Westen her viel stärker ansteigen
wird, als in Berlin bei der Aufstellung des
Bundesverkehrswegeplans
angenommen wurde:
"Die Zahlen sind um 50 Prozent zu niedrig angesetzt", meint er.
Wenn nicht alles auf verstopften Autobahnen landen solle,
müssten Schienenwege ausgebaut und reaktiviert werden.
Dabei fallen auch die Reizworte "Eiserner Rhein" und
"Viersener Kurve".
Offen lässt Baumeister, wo der "Eiserne Rhein" verlaufen könnte.
"Aber wenn wir unseren Lebensstil behalten wollen, müssen wir mit
größeren Transporten rechnen.
Irgendwo tut das immer weh", lautet seine Einschätzung.
"Die Politik hat seit Jahren geschlafen." (Ernst Lehnen, Spediteur)
Den Ärger über viele Staus auf den Autobahnen kann der Spediteur
Ernst Lehnen (Lobberich/Tegelen) verstehen, doch habe "die Politik seit
Jahren geschlafen" und nicht in die Infrastruktur investiert.
Die Mauteinnahmen seien anderweitig verwendet worden.
Er wünscht sich ein härteres eingreifen der Behörden gegen
osteuropäische Spediteure.
Uneingeschränktes Lob erhielt der Venloer Spediteur Hans Cabooter:
Er hat den verrottenden Kaldenkirchener Güterbahnhof mit seinem
"Railterminal Kaldenkirchen" wiederbelebt und seit Ende 2016
Container vom Lastwagen auf den Güterwagen gehievt und nach Italien
geschickt.
"Damit knüpft er an eine 150 Jahre alte Tradition wieder an",
sagt Nettetals Wirtschaftsförderer Dietmar Sagel zufrieden.
Sagel sieht den jetzt praktizierten Kombi-Verkehr auch als "einen Teil
der Chance für Venete". DB-Mann Carsten Wiemer will helfen, Firmen
für kombinierte Straße-/Schiene-Transporte zu interessieren.
Zum Schluss greift Reiner Neuß, Leiter des Grünen-Arbeitskreises
Verkehr, eine Anregung des Landtagsabgeordneten Rolf Beu (Bonn) auf:
Er wirbt im Kreis Viersen für eine parteiübergreifende Schienen-Lobby,
die auch wirkungsvoll in Berlin
auftreten könne.
Dem stimmt Detlef Neuß, der Bundesvorsitzende des Fahrgastverbandes
"Pro Bahn", zu.
Denn es könnte eine Einstellung der RE-Linie
Kaldenkirchen-Mönchengladbach
drohen, wenn die Kapazitäten nicht mehr reichen:
"Der internationale Güterverkehr hat nämlich Vorfahrt",
sagte Neuß.